Nach unserem abenteuerlichen Grenzübertritt von Vietnam nach Laos wollten wir vor unserer Weiterreise in Vieng Xai zur Ruhe kommen. Vieng Xai war die erste größere Stadt nach der etwa 55 Kilometer entfernten Grenze. Hier hatten wir ein passables Guesthouse, einen ATM sowie Restaurants mit Speisekarten auf Englisch gefunden.
Andere Länder, andere Sitten
Zunächst holten wir uns Kip vom Geldautomaten, was gar nicht so einfach war, denn von den beiden ATMs im Ort wollte keiner unsere Bankomatkarte nehmen, auch VISA wurde nicht akzeptiert – mit der Mastercard bekamen wir endlich Geld und konnten essen gehen. Was anderswo selbstverständlich ist, muss in den abgelegenen Regionen Laos mühsam gesucht werden. Von Vietnam waren wir noch etwas verwöhnt: dort gab es erstens über zehnmal so viele Einwohner und zweitens waren viele an den Tourismus gewöhnt, sodass die Menschen ganz anders auf Fremde zugingen. Im ländlichen Laos wurden wir oft mit einem einfachen „No!“ abgewiesen, da die Menschen einfach nichts mit uns anzufangen wussten. Die Laoten sind wesentlich zurückhaltender. Nun mussten wir uns zunächst auf die neue Situation einstellen. Andis Motorbike musste dringend repariert werden, da die Kupplung den Strapazen auf den vermurten Bergstraßen nicht standgehalten hatte. Wir hatten schon befürchtet, dass sich niemand um die Reparatur annehmen würde, geschweige denn, dass es in diesem abgeschiedenen Ort überhaupt die passenden Ersatzteile geben würde.
Frag doch den Inder
Schon am ersten Abend, kurz nachdem wir in Vieng Xai angekommen waren und unser Gepäck im Guesthouse abgestellt hatten, besuchten wir das Indische Restaurant „Sabaidee Odisha“. Instinktiv hatten wir angenommen, dass man dort Englisch spreche. Nicht nur das! Der Inder bzw. seine Frau kochte wunderbar! Uns schmeckte es so gut, dass wir während unseres Aufenthalts in Vieng Xai ausschließlich dort aßen – Frühstück, Mittag- und Abendessen. Jedes Mal ein Feuerwerk für die Geschmacksknospen. Aber der Inder konnte noch viel mehr. Er war Anlaufstelle für die (wenigen) Touristen der kleinen Stadt, gab hilfreiche Informationen zu touristischen Spots in der Umgebung. Uns half er beim Mechaniker (der übrigens ein Vietnamese war), indem er übersetzte. Außerdem bekamen wir bei ihm die Laotische SIM-Karte und er kümmerte sich auch gleich um die Aufladung. Natürlich versuchten wir es auch bei anderen Lokalen, stießen aber auf taube Ohren. Die Sprachbarriere war wohl doch zu groß – wir wurden oftmals abgewiesen oder in ein anderes Lokal geschickt, wo man mit uns offenbar ebenso überfordert war. Also kehrten wir immer wieder zum Inder zurück und wurden nie enttäuscht!
Vieng Xai – Wiege der Laotischen Nation
Nachdem wir uns wieder gesammelt und unser Reiseleben ins Lot gebracht hatten, also Geld besorgt, den Magen gefüllt, das Motorbike repariert und das Smartphone connected hatten, widmeten wir uns wieder unserem Entdeckerdrang.
Wirft man nur einen flüchtigen Blick auf Vieng Xai, macht es einen recht ruhigen Eindruck. Im verschlafenen Provinzstädtchen mit ca. 30.000 Einwohnern steckt aber viel mehr, als man zunächst vermuten möchte. Vieng Xai ist die Wiege der laotischen Nation, denn von hier aus wurde Pathet Lao (er laotische Widerstand) regiert, das Land in den Frieden geführt und ein Regierungsapparat aufgebaut … mehr dazu in unserem Geschichtsabriss:
Die Höhlen von Vieng Xai – Politbüro im Indochinakrieg
Die Gründung der Stadt geht auf eine der dunkelsten Zeiten der laotischen Geschichte zurück. Im Rahmen der Unabhängigkeitsbestrebungen in der Region Indochina (Laos, Vietnam, Kambodscha) von den französischen Kolonialherren Anfang der 1950er Jahre, die vor allem von Vietnams Widerstandskämpfer Ho Chi Minh vorangetrieben wurden, wurden auch die Nachbarländer verwickelt. In Laos regierte vor der Kolonialisierung eine royale Familie, die schon lange keinen Einfluss mehr hatte. Lediglich der charismatische und beim Volk sehr beliebte „rote Prinz“ Souphanouvong hatte Unabhängigkeitsbestrebungen und politisch moderne Visionen für Laos. Auch der spätere Ministerpräsident Kaysone Phomvihane, dessen Konterfei heute die Vorderseite der Kip-Geldscheine ziert, arbeitete hart an der Befreiung. Kennengelernt hatten sich die beiden im Rahmen eines Treffens mit Ho Chi Minh als junge Studenten in Hanoi, wo sie sich mit der Vietnamesischen Befreiungsfront, den Viet Minh, verbündeten. Es fanden sich also einige Gleichgesinnte, die Laos aus der Kolonialära in einen eigenständigen Staat führen wollten – sie gründeten die Widerstandsbewegung Pathet Lao (Land der Laoten).
Im zweiten Indochinakrieg (1964 bis 1973), bei uns besser als „Vietnamkrieg“ bekannt, der im Grunde ein Krieg zwischen dem kommunistischen Nordvietnam mit Ho Chi Minh als Führer und dem kapitalistisch-demokratisch befürwortendem Süden mit US-amerikanischer Einmischung war (die Amerikaner führten ja zu jener Zeit vielerorts einen Krieg gegen den Kommunismus), verlegte die Führungsriege der Pathet Lao ihren Sitz von der mittlerweile unsicheren Hauptstadt Vientiane über mehrere Stationen nach Vieng Xai im äußersten Osten Laos, nachdem sich der Krieg auch auf die Nachbarstaaten ausdehnt hatte.
Damals existierte die Stadt de facto noch nicht; lediglich kleine Bauerndörfer prägten die Gegend. Jedoch gab es hier riesige Kalksteinfelsen mit mehr als 400 Höhlen, die dem Regime für die Dauer des Krieges als Unterschlupf dienen sollten.
Startpunkt der Tour „Festhalle“ für Versammlungen, Hochzeiten, Feste …
Die laotischen Revolutionäre versteckten sich dort, konnten neun Jahre lang den Indochina-Krieg überdauern und von hier die Truppen und deren Angriffe lenken. Täglich wurde das Land von den Amerikanern aus der Luft bombardiert – sie verschossen 2 Mio. USD täglich, insgesamt 2,1 Mio. Bomben (d.h. alle acht Minuten eine Bombe an 24 Stunden am Tag, neun Jahre lang hindurch). Damit ist Laos gemessen an der Einwohnerzahl das meist bombardierte Land der Welt. Bis heute sind 25% der Landesfläche, mehr als 10.000 Dörfer bombenverseucht. Durchschnittlich stirbt noch heute täglich ein Laote an einem Blindgänger (UXO). Häufig sind es Kinder.
Deshalb konnten sich die Menschen während des Bombenhagels im Krieg tagsüber kaum draußen aufhalten. Sie waren gezwungen, die Feldarbeit früh morgens oder spät abends bzw. bei Vollmond, wenn die Flieger nicht mehr am Himmel waren, zu erledigen. Alle Tätigkeiten sonst wurden in den Höhlen erledigt. Insgesamt wohnten bis zu 20.000 Menschen in Höhlen. So gab es eine Bäckerei, ein Hospital, Märkte etc. in den Höhlen. Die Kinder aus reicheren Familien wurden in jener Zeit nach Nordvietnam zur Schule geschickt, wo es sicherer war, als in Laos.
Andi in den Höhlen von Vieng Rai Prinz Souphanouvog war leidenschaftlicher Gärtner, wie am Zugang zu „seiner“ Höhle unschwer zu erkennen ist.
Die wichtigsten Höhlen waren der Führung vorbehalten. Erst im Jahr 2004 wurden sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wir besuchten die Höhle des späteren ersten Staatspräsidenten und ehemaligen Königssohns, Prinz Souphanouvong und dessen Familie, anschließend die Höhle von Kaysone Phomvihane, des ersten Premierministers, die Höhle des Gesundheitsministers, der ein Hospital angeschlossen war und weitere Höhlen der Angehörigen des Politbüros. Auch eine Höhle für die Unterhaltung gab es. Hier wurden Film- und Musikvorführungen, Theaterstücke, aber auch Feste, wie z.B. Hochzeiten abgehalten. Sie dient noch heute derartigen Veranstaltungen, allerdings ohne solch dramatischen Hintergrund.
Viang Xai Höhlen – Audio-Guide Tour
Die sehr empfehlenswerte Tour findet zweimal am Tag statt – einmal vormittags um 9 Uhr und einmal ab 13 Uhr. Wir waren schon eine halbe Stunde zu früh am Ticketoffice, doch es war niemand da. Nur dort kann man die Tickets besorgen. Wir warteten also im Garten des recht netten Anwesens und relaxten in der warmen Mittagssonne. Pünktlich um 13 Uhr erschien der Guide, außerdem ein älteres Pärchen aus England. Der Betreuer des Besucherzentrums und Höhlenführer war ein sehr ruhiger, sympathischer und vor allem gut ausgebildeter Mann, war auch für den Ticketverkauf zuständig war. Wir alle bezahlten (60.000 Kip pro Erw., Kinder kostenlos) und erhielten die Audio-Guides, dann startete der Guide sein Moped und alle folgten ihm von einer Höhle zur nächsten (das englische Paar hatte einen Fahrer). Insgesamt besuchten wir fünf Sites.
Der ausgesprochen freundliche Fremdenführer selbst kannte sich ausgezeichnet in der laotischen Geschichte aus und sprach sehr gut Englisch, sodass man ihm jederzeit Fragen stellen konnte. Darüber hinaus war die Audioguide-Führung mit Kommentaren von Zeitzeugen sehr gut aufbereitet und machte die Führung lebendig und authentisch. Unserer Führer hat uns am Ende verraten, dass auch er an der Gestaltung der Audio-Guide-Tour mitgewirkt hat. Sehr gelungen – wir waren begeistert!
Weiterreise
Nach zwei Nächten in Vieng Xai ging unsere Reise weiter nach Muang Hiem, einem kleinen Dorf auf der Strecke nach Luang Prabang.
Links
Vieng Xai auf Wikipedia
Pathet Lao auf Wikipedi
UXO Lao (unexploded ordinance)