Den Abschluss unseres Roadtrips vom Süden in den Norden Vietnams sollte ein Besuch bei den indigenen Volksgruppen in der Region Sapa bilden. Im kleinen Dorf Ta Van der Volksgruppe der Black Hmong verbrachten wir drei wunderschöne Tage zwischen Fansipan und Reisterrassen.
Das Bergdorf und seine Umgebung sind berühmt für seine in die Hänge gehauenen Reisterrassen und die zahlreichen ethnischen Minderheiten-Völker, die ihre Traditionen bis heute weitgehend bewahren konnten. Da Sapa auf gut 1.600 Metern Seehöhe liegt, stellten wir uns auf entsprechende Temperaturen ein. In der Region liegt übrigens auch der Fansipan (Phan Xi Păng), der mit 3.143 Metern nicht nur Vietnams höchster Berg, sondern die höchste Erhebung ganz Indochinas darstellt. Von Sapa aus geben die um seinen Gipfel ziehenden Wolken leider selten den Blick auf selbigen frei. Seit April 2016 kann man ihn übrigens bequem über eine topmoderne Seilbahn (vom österreichischen Hersteller Doppelmayr) von Sapa aus erreichen; ob man sich dann aber noch rühmen kann, ihn „erklommen“ zu haben, ist zu bezweifeln.
Anreise
Mit dem Zug von Hanoi nach Lao Cai
Nach 4.500 Kilometern waren wir des Motorbike-Fahrens müde geworden und nutzten zum ersten Mal die Vietnamesische Eisenbahn. Die Tickets für uns vier und unsere beiden Mopeds hatten wir schon zwei Tage vor der geplanten Fahrt am Bahnhof Hanoi besorgt. Dafür mussten wir einen Tag in der Hauptstadt verlängern, da an unserem Wunschtag nur der Personentransport ohne die Mitnahme von Mopeds möglich gewesen wäre.
Für den Nachtzug im Schlafwagen nach Lao Cai im äußersten Norden, an der chinesischen Grenze, hatten wir pro Erwachsenem (ab 10 Jahren) 510.000 Dong und für Damian 450.000 Dong bezahlt, umgerechnet etwa 73 Euro für uns vier. Für die Motorbikes wurden jeweils etwa 10 Euro verlangt. Alles in allem sollte der Trip also knapp 95 Euro kosten. Sicherlich wäre die Fahrt auf dem Landweg billiger gewesen, aber wir hätten mindestens einen Stopp mit Übernachtung benötigt und außerdem wollten wir uns endlich mal Ruhe vom Straßenverkehr gönnen.
Die Ticketverkäuferin hatte uns beim Kauf gesagt, dass wir ca. eine Stunde vor Abfahrt zur Rückseite des Hauptbahnhofs Hanoi kommen sollten. Dort befinde sich im Grunde ein zweiter Bahnhof, von dem alle Züge in den Norden abfahren; er heißt Trần Qúy Cáp (Station B). Wir waren schon etwas früher dort und übergaben die Bikes an einen Mitarbeiter der Vietnam Railways. Er zapfte das Benzin ab und zeigte uns den Weg zu den Bahnsteigen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch angenommen, dass der Treibstoff in Lao Cai wieder eingefüllt werden würde.
Hinter dem Eisentor zu den Bahnsteigen sollten wir die Bikes parken. Um 20 Uhr, so sagte (oder besser deutete) man uns, wäre der Zug bereit zur Verladung der Bikes. Wie konnte es auch anders sein, um 20 Uhr war der Zug nach Lao Cai natürlich noch nicht da. Wir mussten uns also im Wartebereich des Bahnhofs noch etwas gedulden. Inzwischen füllte sich das Bahnhofsgebäude mit Menschen, vornehmlich Touristen, teils mit Reiseleitung. Um 21 Uhr hatten wir schon Sorge, ob so viele Menschen in einen Zug passen würden. Der Zugang zu den Bahnsteigen war vom Bahnhofspersonal versperrt worden. Alle Passagiere befanden sich daher im Wartesaal. Da das Schienennetz in Vietnam nicht sehr dicht ist, gab es kaum Züge, die andere Destinationen von hier ansteuerten. Sapa ist ein von vielen Reisenden angestrebtes Ziel. Etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt ließ man die Leute in den Zug. Unsere Bikes standen immer noch dort, wo wir sie fast zwei Stunden zuvor abgestellt hatten. Um die Verladung mussten wir uns also selbst kümmern. So schoben wir die Bikes und unser gesamtes Gepäck Richtung Zug. Dort angekommen zeigten wir das Ticket für die Bikes dem ersten Bahnbeamten, der uns über den Weg lief. Er öffnete uns den ersten Waggon und schob die Bikes direkt vom Bahnsteig in den Waggon.
Anschließend suchten wir unseren Schlafwagen. Wir hatten eine 4er Kabine ganz für uns allein. Es hätte auch 2er und 6er Kabinen gegeben. Das sollte man beim Buchen beachten, damit man nicht mit Fremden in eine Kabine gelegt wird, sofern man sich daran stört.
Die Betten waren frisch bezogen, die Klimaanlage kühlte recht stark, aber wir konnten uns in dicke Decken hüllen. Snacks waren am Zug erhältlich, so wie man es von Europa kennt. WIFI gab es nicht, aber immerhin zwei Steckdosen, um das Handy zu laden. Dann ging es los. Die Strecke führte anfangs durch die Railway Street mitten in Hanoi, auf der wir im Rahmen der Free Tour schon Fotos gemacht hatten. Über die alte Eisenbahnbrücke Long Bien, auf der wir mit den Motorbikes hergekommen waren, verabschiedeten wir nun die Stadt – wie passend. Der Zug fuhr gemächlich über die nicht mehr ganz neuen Schienen und wir wurden sanft in den Schlaf geschaukelt.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Kaffee und Tee? Wow! Die Nacht war wirklich schnell vergangen. Um 5.30 Uhr morgens kamen wir am Bahnhof Lao Cai an. Lao Cai ist eine Kleinstadt an der chinesisch-vietnamesischen Grenze und bildet die Endstation der Vietnamese Railways. Von hier kann man in den Norden nach China weiterreisen oder in die Bergregionen östlich und westlich der Stadt.
Mit dem Moped von Lao Cai nach Sapa
Nachdem wir unsere Bikes geholt hatten, fragten wir nach dem abgepumpten Benzin, doch vergebens, in Lao Cai wusste niemand Bescheid. Tja, irgendeine Vorschrift dürfte den Transport von Treibstoff verbieten oder jemand verdiente sich mit dem Weiterkauf ein kleines Zubrot. Wir schoben also in nächtlicher Dunkelheit und Stille unsere Bikes samt Gepäck durch die leeren Straßen von Lao Cai auf der Suche nach einer Tankstelle. Die war aber relativ rasch gefunden (vom Bahnhofsgebäude geradeaus die Straße hinunter und dann die zweite Seitenstraße rechts nehmen). Wir tankten voll und machten uns auf den Weg ins etwa 35 Kilometer entfernte Sapa. Die anderen Touristen, die mit dem selben Zug gekommen waren wie wir, wurden von zahlreichen Kleinbussen nach Sapa befördert. Je weiter wir nach oben kamen, desto besser wurden die Ausblicke über die nebelbehangenen Berge mit Reisterrassen und der dahinter aufgehenden Sonne. Nach etwa einer Stunde Fahrt waren wir in Sapa angekommen.
Mit dem Moped von Sapa nach Ta Van
Unser Homestay lag aber in dem kleinen Bergdorf Tả Van, etwa 10 Kilometer südlich. Dies sollte der schrecklichste Streckenabschnitt unseres ganzen Vietnamtrips werden. Für die 10 Kilometer benötigten wir über 1,5 Stunden. Von Straße konnte keine Rede sein. Zunächst passierten wir einen Checkpoint, an dem eine Sightseeing Fee zu bezahlen war (75.000 Dong pro Erw., Kinder kostenlos). Dann ging es los. Es schien, als hätten Erdrutsche die Fahrbahn vermurt und niemand hätte sie beiseite geräumt, sondern nur platt gefahren. Straßenbauarbeiten waren vielerorts im Gange. Aufgrund der Regenfälle der letzten Tage, war es sehr matschig. Der lehmige Untergrund verwandelte sich in Kombination mit Wasser in eine einzige Rutschpartie.
schlüpfrige Straßen Dreckspatzen (nach dem Sturz)
Unser erster Unfall
An einer besonders glatten Stelle rutschte Andi das Vorderrad weg, weil ein PKW von hinten kommend nicht rechtzeitig bremsen konnte und ihn etwas anschob. Er kam mit Damian zu Fall. Midori und ich versuchten, so schnell wie möglich zu bremsen, was aufgrund des glitschigen Untergrunds auch für uns nicht einfach war. Einstweilen waren die Insassen des Autos ausgesprungen, um Damian und Andi zu helfen. Midori war schon abgesprungen, bevor wir überhaupt standen. Sie rannte sofort zurück. Gott sei Dank war niemandem etwas Schlimmeres passiert! Damian hatte sich zwar den Knöchel eingeklemmt, er kam aber mit blauen Flecken davon, Andis Unterarm und Unterschenkel hatte Schürfwunden, das Auto hatte eine Schramme an der Stoßstange. Der Fahrer und Andi schüttelten die Hand, wünschten sich gegenseitig alles Gute und damit war alles erledigt. Weiter ging’s. Midori lief ein Stück zu Fuß, weil die Sturzgefahr auch im Schritttempo enorm hoch war. Damian saß am Bike, weil wir ihn nicht laufen lassen wollten. Wir wollten zunächst beobachten, ob sein Bein auch wirklich okay war (schon am nächsten Tag sprang er herum, als wäre nie etwas passiert). Nach einem weiteren Kilometer Himmelfahrtskommando wurde die Straße etwas „besser“ und Midori stieg wieder auf. Im Schritttempo fuhren wir weiter. Es kamen immer wieder Straßenabschnitte, die vermurt oder unterspült worden waren. Dort war das Vorankommen besonders anstrengend. Dafür wurden die Ausblicke in die Landschaft immer schöner (s. Titelbild).
Traditionelle Mitglieder der Bergvölker saßen am Straßenrand, um ihre handgearbeiteten Waren zu verkaufen. Wir dachten wieder an das Ethnologische Museum, das wir tags zuvor besucht hatten, und stellten fest, dass tatsächlich noch viele in traditionellen Gewändern mit geflochtenen Holztragen und selbst gewebten Babytragen herumliefen. Wirklich schön anzusehen – die Bergregionen Vietnams standen in starkem Kontrast zu jenen in den Ebenen und Städten.
Wir waren erleichtert, als wir endlich ohne weitere Zwischenfälle in Tả Van Village angekommen waren. Unser Host war ausgesprochen nett und sprach auch ausgezeichnet Englisch. Wir bekamen zwei Zimmer Tür an Tür mitten in den Reisterrassen. Hinter unserem Homestay lag gleich der Fansipan – what a location! Da waren alle Strapazen der Anreise vergessen.
Wanderung durch die Reisterrassen
Unser Host hatte uns am nächsten Morgen eine kleine Runde durch die umliegenden Hügel vorgeschlagen. Die Wanderung bei herrlichem Wetter durch die mit Reisterrassen kultivierten Berge bot einmalige Ausblicke. Teils erhaschten wir sogar einen Blick auf den Gipfel des nebelverhangenen Fansipan.
Auf dem Weg begegneten uns zahlreiche Einheimische, aber auch freilaufende Tiere wie Ziegen oder Wasserbüffel. Kleine Ferkel tollten auf den einfachen Wegen und dazwischen pickten die Hühner am Wegesrand im Gras.
freilaufende Schweine … geernteter Reis Brücke über’s Tal Andi spielt für die Hmong Kinder auf der Maultrommel. Andis Totem – Wasserbüffel Happy as can be!
Viele Mitglieder der ethnischen Minderheiten leben noch sehr ursprünglich, aber doch schon an den Tourismus angepasst. Ihre einfachen Hütten bieten wenig Komfort und doch scheinen sie nicht unglücklich. Allerorts wird gewebt, werden Stoffe traditionell gefärbt und am selbst gebauten Bambuszaun getrocknet. Die Männer erzeugen von Hand Schmuck oder verdingen sich als Tourguides, viele Frauen weben und nähen die traditionelle Tracht aber auch vielerlei anderes wie Tischläufer, Schals, Taschen, Haarbänder oder Windspiele und bieten ihre Waren zum Verkauf. Auch Räucherstäbchen und -kegel werden hier noch von Hand erzeugt.
Räucherstäbchen Räucherkegel Hmong-Haus
Leider laufen auch viele Kinder herum, um Kleinigkeiten wie Armbänder den passierenden Besuchern anzubieten. Im Gegensatz zu den zahlreichen Märkten in den Städten kann man sich hier sicher sein, tatsächlich handgemachte Waren aus Vietnam zu kaufen und somit die lokale Bevölkerung zu unterstützen. Mittlerweile haben einige Familien der dort ansässigen Volksgruppen der Dzay und der Black H’Muong Guesthouses oder kleine Restaurants errichtet, um sich so ihr Auskommen zu sichern. So mancher hat bereits erkannt, dass im Tourismus die Zukunft liegt.
Auf einer Beerdigung
Wir gerieten bei unserer Wanderung zufällig mitten in eine festliche Veranstaltung. Das ganze Dorf war zusammengekommen, alle tranken ausgelassen; neben der Straße lagen drei Schweine, die an den Füßen zusammengebunden waren. Uns wurde im Vorbeigehen ein Stamperl Reisschnaps angeboten, den wir natürlich nicht ablehnen konnten. Beim zweiten Glas winkten wir aber ab – immerhin war es noch Vormittag! Wir fragten nach, was denn hier gefeiert würde und waren überrascht, als man uns sagte, dass es eine Beerdigung sei. Auf unserem Rückweg etwa zwei Stunden später, war die gesamte Dorfgemeinschaft sturzbetrunken (auch die Frauen, was sonst in Vietnam eher unüblich ist), die Schweine waren kurz zuvor geschlachtet worden, ihr Blut rann noch über die Straße.
Beerdigungsfeier der Hmong geschlachtetes Schwein
Ob man solche Szenen in den nächsten Jahren noch sehen können wird, ist fraglich. Nicht zuletzt aufgrund der verbesserten Infrastruktur, haben die Menschen den Komfort der Smartphones und des Internets kennengelernt, tragen unter ihren Trachten legere westliche Kleidung und Turnschuhe und haben TV in ihren Häusern. Die bessere Verkehrsanbindung wird aller Voraussicht drastische Änderungen mit sich bringen. Wie viel der dann noch gelebten Folklore echt sein wird und wieviel für die Touristen „gespielt“, mag niemand vorherzusagen. Dennoch darf man diesen Menschen den Fortschritt nicht verwehren. So haben die Kinder die Chance, in die Schule zu gehen und nicht für die Familien arbeiten zu müssen.
So ging es weiter
Nach unserem wunderbaren Aufenthalt in der Region um Sapa, fühlten wir, dass es an der Zeit sei, Vietnam zu verlassen. Wir wollten so rasch wie möglich nach Laos weiterziehen. Der nächstgelegene Grenzübergang lag bei Điện Biên Phủ – bis dorthin hatten wir aber noch einen weiten Weg vor uns.
Links
Völker Vietnams
Doppelmayr Presseartikel zur Seilbahn auf den Fansipan