Irgendwo zwischen Bundaberg und Sunshine Coast, im Hinterland vor Fraser Island an der Ostküste Australiens liegt das kleine und beschauliche Städtchen Maryborough. Hier ist der Name Programm, denn nicht nur, dass der Fluss, der sich durch die Kleinstadt schlängelt, Mary-River heißt, auch die berühmteste Tochter Maryboroughs, Autorin P. L. Travers, hat die Protagonistin ihrer Romane Mary genannt, Mary Poppins um genau zu sein.
Von Town of 1770 nach Noosa
Uns verschlug es nach Maryborough bei der Suche nach einem legalen Übernachtungsplatz mit unserem Campervan auf der Strecke zwischen Town of 1770 (von Australiern häufig nur Seventeen Seventy genannt) und Noosa Beach. Die App Wikicamps Australia empfahl uns Maryborough als kostenlosen Standplatz.
Bundaberg
Auf dem Weg legten wir in Bundaberg eine Mittagspause ein, gingen einkaufen, kochten und aßen. Die kleine Stadt hat einen historischen Kern, der sehr an den Wilden Westen der USA erinnert. Rundum haben sich landwirtschaftliche Betriebe angesiedelt. Es werden Macadamia-Nüsse, Avocados, Tomaten, Zuckerrohr u.v.m. angebaut. Bundaberg ist auch für den Zuckerrohrschnaps „Bundaberg Spirit“ bekannt. Zahlreiche junge, europäische Backpacker bessern sich in den großen Gemüseplantagen als Erntehelfer die Reisekasse auf.
Wir nutzten einen der wunderschönen, öffentlichen Grillplätze mit Spielplatz wie es sie in jeder Ortschaft in Australien gibt, bereiteten unser Essen zu, und aßen an den gepflegten Tischen und Bänken.
Buschbrand
Etwas außerhalb von Bundaberg gerieten wir in einen Buschbrand – Rauchschwaden am Horizont verrieten das Feuer. Der Himmel war grau bedeckt und es roch verbrannt – Fenster zu und Radio an. Vom öffentlich rechtlichen Sender wurden die Bewohner angehalten, ihre „Evacuation-Plans“ einzuhalten. Auf der Straße wurden wir auf eine sichere Route umgeleitet. In der Region sollte eigentlich Regenzeit sein. Davon sei aber dieses Jahr wenig zu spüren gewesen, erzählte uns ein Gast am Campingplatz in Seventeen Seventy. Es habe nur 10-15% so viel Regen gegeben, wie in einem normalen Jahr. Und das zeigte sich auch bei der Fahrt von Agnes Water über Bundaberg nach Maryborough. Jeder Creek, den wir überquerten, führte leider kein Wasser. Die Rinder grasten auf ausgetrockneten Weiden. Um Bundaberg bewässerten die Agrarbetriebe die Felder stark.
One night in Maryborough
Am Nachmittag parkten wir unseren Van am kostenlosen Nightspot in Maryborough, der in unmittelbarer Nähe zur Town Hall (Gemeindeamt) lag. Dort sollte morgen um 9 Uhr die kostenlose Stadtführung starten. Um die Stadt unter Touristen bekannter zu machen, lockt man sie mit der kostenlosen Übernachtung und Stadtführung an, vor allem aber mit der Stadtberühmtheit Mary Poppins. In touristischen Gegenden findet man meist keine kostenlose Übernachtungsplätze. Die mächtige Campervan-Association hat Einfluss auf die Councils und versucht kostenlose Plätze nach und nach schließen zu lassen, damit die „Kunden“ in die kostenpflichtigen Campingplätze getrieben werden. So haben wir das beispielsweise in Rockhampton erlebt. Daher nutzen wir kostenlose Nightspots sooft dies angeboten wurden.
Your permit, please!
Um 20:30 Uhr ging ein Parkwächter durch und fragte nach unserem Permit, der Erlaubnis. Wir hatten sie in der Town Hall nicht beantragt, da wir entgegen der Parkvorschrift keinen „self contained RV“ hatten, was bedeutet, dass wir keine Toilette im Bus hatten. Da unweit des Parkplatzes auf der anderen Straßenseite ohnehin eine öffentliche Toilette zur Verfügung stand, sahen wir darin kein Problem.
Der Wächter übersah diesen Mangel wohlwollend und meinte, wir sollten uns am nächsten Tag morgen um 8:30 Uhr in der Town Hall nachträglich den Erlaubnisschein ausstellen lassen. Fazit: Wir hätten uns einfach die Erlaubnis holen und sie hinter die Windschutzscheibe legen sollen, dann wäre er nur durchgegangen und hätte uns abgehakt. Tja, next time!
Stadtführung in Maryborough
Nach einer ruhigen Nacht marschierten wir nach Katzenwäsche und Frühstück in die Town Hall, wo uns die freundlichen Mitarbeiter stellten die Parkerlaubnis ausstellten; dann warteten wir draußen beim Treffpunkt auf den Start der Stadtführung. Pünktlich um 9 Uhr ging es los. Unser Guide war Wolfgang, ursprünglich Deutscher, der schon 1975 nach Australien ausgewandert war. In seiner Pension wechselte er sich gemeinsam mit anderen Pensionisten ehrenamtlich bei den Stadtführungen ab. Mit uns kam noch ein Urlauberpärchen mittleren Alters aus Neuseeland, das nach Australien ausgewandert war.
Wolfgang im Sitzungssaal der Town Hall, wo der Gemeinderat zusammentrifft großer Festsaal von Maryborough
Zunächst beschrieb uns Wolfgang die Entstehung der Stadt. Am Mary-River wuchs die Siedlung innerhalb weniger Jahre – die ersten Siedler kamen 1847 – zu einer beachtlichen Stadt. Zunächst entstanden ein Hafen am Fluss mit direkter Verbindung zum Meer, ein Kaufmannsladen, eine Poststelle, landwirtschaftliche Betriebe und Wohnhäuser. Nach und nach florierte der Handel mit dem hier angebauten Zuckerrohr, sodass Arbeiter aus Polynesien „importiert“ werden mussten; die Aborigines aus der Gegend wollten nicht für die weißen „Landräuber“ arbeiten. Später kam auch der Handel mit Holz hinzu, das sogar bis nach England exportiert wurde. Auch heute wird Holzwirtschaft betrieben – südlich von Maryborough erstrecken sich quadratkilometerweit Pinienwälder (übrigens nicht heimische Bäume). In der Gegend befindet sich daher das größte Sägewerk Australiens. Der Mary-River ist übrigens der einzige Fluss an Australiens Ostküste, der von Süden nach Norden verläuft und nicht umgekehrt.
Mary Poppins
Wie eingangs erwähnt, ist P. L. Travers, Autorin der Mary Poppins Geschichten, die berühmteste Persönlichkeit der Stadt. Ihr zu Ehren wurde jene Straße, in der ihr Geburtshaus steht, in Cherry Tree Lane umbenannt (so hieß die Straße in der Mary Poppins wohnte). Außerdem findet man Mamals und andere Monumente, darunter selbstverständlich auch eine Mary Poppins Statue, im ganzen Innenstadtgebiet. Sogar die Ampelsignale würdigen Mary Poppins. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass P. L. Travers nach England emigrierte und ihre Mary Poppins Romane erst dort schrieb und veröffentlichte.
Queenspark
Am Queenspark, der mit sehr schönen Bäumen aufwartet, befindet sich ein ergreifendes Kriegerdenkmal mit Marmorstatuen aus Carrara in Italien. Der Park ist sehr gepflegt und liegt direkt am Mary-River. Maryborough erinnert mit seinen „alten“ Gebäuden im Zentrum an ein Städtchen im wilden Westen. Beim Anblick der Town Hall (s. Titelbild) denkt man unweigerlich an das Rathaus in „Zurück in die Zukunft“.
Musikbaum im Queens Park ein afrikanischer Wurstbaum im Park Blick auf den Mary River
Flair
In ganz Australien begegnet man dem Pioniergeist der ersten Stunde – ein Land der Goldgräber und Siedler, die die alte Heimat hinter sich gelassen hatten, um hier ihr Glück zu suchen. Das erklärt auch die Wappentiere Australiens – das Känguru und das Emu, beides Tiere, die nur vorwärts, aber nicht rückwärts gehen können, meinte Wolfgang, ganz im Sinne der Australischen Siedler, die ihre Vergangenheit hinter sich ließen, um hier ein völlig neues Leben zu beginnen und nur in die Zukunft blicken.
Bis heute brennen die Aussies für Abenteuergeist und Entdeckerdrang – unterwegs in riesigen Pick-ups mit Lufteinlässen für den Kühler über der Windschutzscheibe, Offroad-Campern mit Funkgeräten und Equipment zu autonomer Energieversorgung. Der Großteil der Camper in Australien sind Australier selbst; vor allem Pensionierte, sogenannte „Grey Nomads“, aber auch welche, die überhaupt in Trailer-Siedlungen wohnen.
Fazit Führung
Maryborough will Touristen anlocken. Wir haben auf dem kostenlosen Camper-Parkplatz übernachtet, die Free Tour war kostenlos – alles in allem haben wir kaum Geld dort gelassen. Dafür würden wir positiv über Maryborough berichten – so mussten wir es Wolfgang versprechen. Und das tun wir mit bestem Gewissen, denn Maryborough ist eine wunderschöne, australische Kleinstadt mit hübsch renovierten Häusern aus der Zeit der ersten Siedler und einem insgesamt sehr gepflegten Stadtbild. Auf der Durchreise ist Maryborough einen Stopp auf jeden Fall wert. Wolfgang war mit Liebe und Begeisterung unser Stadtführer berichtete begeistert von „seinem“ Maryborough. Die Führung dauerte 2,5 Stunden.
eines der vielen Mamals der erste Ford-Händler Australiens das alte Postamt hier gibt’s Zuckerrohr-Spirit in der Kirche
Weiterreise
Um die Mittagszeit machten uns auf den Weg in die Edel-Surf-Gemeinde Noosa. In Gympie, der ehemaligen Goldgräberstadt, legten wir eine Pause zum Mittagessen ein, und fuhren dann über den ab hier sehr breiten Highway (weiter im Norden ist es lediglich eine Landstraße) nach Noosa Heads direkt an die Küste.