In diesem Beitrag tauchen wir gemeinsam ganz tief in die Kulturgeschichte Thailands ein. Wir erfahren, wie die thailändische Schrift zustande kam, dass Buddhastatuen auch in anderen Positionen als stehend, sitzend und liegend dargestellt wurden und, weshalb Sukhothai als erstes Thai-Königreich überhaupt bezeichnet wird. An zahlreichen Ecken der alten Ruinenstadt stoßen wir auf ikonische Motive, die man von von Postkarten und Kalendern kennt. Kommt mit auf Entdeckungsreise nach Sukhothai!
UNSECO Weltkulturerbe
Gemeinsam mit der Zwillingsstadt Si Satchanalai, die circa 50 Kilometer nördlich liegt, wurde Sukhothai bereits 1991 in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten aufgenommen. Der Park umfasst insgesamt 21 historische Stätten und vier große Becken innerhalb der alten Stadtmauern, sowie weitere 70 Stätten in der näheren Umgebung. Es gilt also jede Menge zu entdecken, und das Beste: Die Ruinen sind allesamt mit dem Fahrrad gut erreichbar.
Anreise & Unterkunfts-Empfehlung
Von Chiang Rai im äußersten Norden Thailands kommend, reisten wir per Bus nach Sukhothai. Die circa 8-stündige Fahrt kostete 256 Baht (6,70 Euro) pro Person. Man sollte wissen, dass der Busterminal Sukhothais in der heutigen Neustadt liegt, etwa 12 Kilometer außerhalb der geschichtsträchtigen Altstadt. Das alte Zentrum erreicht man tagsüber gut mit regelmäßig verkehrenden Shuttlebussen (30 Baht/Person). Kommt man nach 18 Uhr zum Busterminal, muss man ein Tuk Tuk nehmen, das teuer ist.
Wir verhandelten geschickt und wurden zu einem annehmbaren Preis in unser Guesthouse „Smilingface“ gebracht. Unsere Gastgeberin Kwan (links im Bild) war eine der nettesten auf unserer langen Reise.
Tourist Information Center
Wir wurden erst nach einigen Tagen in der Stadt darauf aufmerksam und können den Besuch des Tourist Information Center jedem Sukhothai-Besucher nur wärmstens ans Herz legen. Es ist wirklich sehr ansprechend gestaltet und wir erhielten umfassend Informationen zur Geschichte der Stadt in tollen Videos, Bildern und Texten. Der Service ist übrigens völlig kostenlos.
Wirklich interessante historische Fakten
Das Königreich Sukhothai (Sanskrit Sukhodaya = „großes Wohlbehagen bewirkend“), dessen Ruinen sich auf einem Gebiet von 45 km² im nördlichen Zentralraum des heutigen Thailand verteilen, florierte von Mitte des 13. bis ins späte 14. Jahrhundert n. Chr. Oftmals wird Sukhothai als erstes Thai-Königreich genannt. Das stimmt jedoch nicht ganz. Schon 500 Jahre vorher war in Chiang Saen, der heutigen Hauptstadt der Provinz Chiang Rai, ganz im Norden Thailands, ein Königreich entstanden. Auch in Chiang Mai existierte bereits das Lanna-Königreich, als das Sukhothai-Königreich gegründet wurde. Ursprünglich gehörte das Gebiet zum Reich der Khmer (Angkor Wat). Davon zeugen vor allem die älteren Tempel der Stadt, die im Stil der Khmer errichtet wurden. Als zwei Thai-Herrscher ihre Reiche im Jahr 1238 vereinten, um ein neues Thai-Königreich zu schaffen, endete die Herrschaft der Khmer.
Die Sukhothai-Dynastie überdauerte 200 Jahre und brachte neun Könige hervor. Der berühmteste unter ihnen war König Ramkhamhaeng, der von 1275 bis 1317 regierte. Unter ihm wurde nicht nur die erste Thai-Schrift entwickelt, das Reich erreichte auch seine größte Ausdehnung, über die Grenzen des heutigen Thailands hinaus. Ramkhamhaeng vereinte Einflüsse von Kunst und Philosophie aus Indien, China und dem Khmer-Reich in seinem Königreich. Der typische Sukhothai-Stil entwickelte sich und wirkt bis heute in den Stil thailändischer Tempel nach. Charakteristisch für den Sukhothai-Stil ist die Bauweise der Chedis (kleine Türmchen), die auf einem großen quadratischen Sockel ruhen, seine Spitze bildet eine Lotosblüte nach. Die quadratische Basis ist häufig mit unterschiedlichen Reliefdarstellungen verziert. Nur wenige Könige nach Ramkhamhaeng ging das Königreich Sukhothai 1438 im aufstrebenden Königreich Ayutthaya auf. Dennoch wirkte und wirkt der profunde Einfluss der Sukhothai-Kultur – Sprache, Schrift, Literatur, Kunst und Religion – auf nachfolgende Reiche, ja bis ins moderne Thailand. Nicht zuletzt deshalb wird Sukhothai als „erstes“ Thai-Königreich bezeichnet.
Zonen & Eintrittspreise
Die Historische Altstadt ist in fünf Zonen unterteilt: eine westliche, eine östliche, eine südliche, eine nördliche, sowie eine zentrale. In jeder ist für Erwachsene separat ein Eintritt von jeweils 100 Baht zu bezahlen.
Wat Phra Phai Luang (nördliche Zone)
Wir besichtigten zwei Anlagen außerhalb des Nordtores. Erstes Ziel war der Wat Phra Phai Luang. Auf dem Weg dorthin passierten wir kleinere Ruinen, die hier allerorts herumstehen und kostenlos besichtigt werden können. Zuerst kamen wir am Wat Surasat vorbei. Der Haupt-Chedi, der glockenförmig ist und an der Basis von Elefanten „getragen“ wird, zitierten den Sri Lanka (oder auch Ceylon-) Stil, der in der Sukhothai-Periode weit verbreitet war. Die Stärke des Elefants symbolisiert die Ausdauer mit der der Buddhismus seit 5000 Jahren „hochgehalten“ wird. Er muss wohl irgendwann vor dem bzw. um das 15. Jahrhundert gebaut worden sein, denn laut einer Inschrift wurde er schon 1416 n. Chr. erwähnt. Gleich daneben liegt der Wat Mae Chon. Von der Anlage ist nur mehr eine Plattform mit einer Buddhastatue übrig. Dennoch lohnt es sich, hier kurz zu stoppen. An der Ausführung der Statue ist klar zu erkennen, dass Buddha hier in einem anderen Stil erschaffen wurde, als jene Statuen in Ayutthaya oder im Süden Thailands. Die Nase ist etwas länger und gebogener, die Augen nach unten blickend, die Ohrläppchen spitzer, der Dutt weniger ausgeprägt.
Wat Surasat Wat Mae Chon
Schließlich erreichten wir unser eigentliches Ziel, den Wat Phra Phai Luang. Hier mussten wir für jeden Erwachsenen 100 Baht und je Fahrrad weitere 10 Baht Eintritt bezahlen. Auch Midori galt mit ihren 11 Jahren ob ihres für asiatische Verhältnisse hohen Wuchses schon als Erwachsene. Die Eintrittsgebühr gilt allerdings auch für den Wat Si Chum.
Ursprünglich besaß der Wat Phra Phai Luang drei große Stupas, von denen heute nur mehr eine erhalten ist. Am verbleibenden erkennt man recht gut, wie er und seine beiden Kompagnons einst ausgesehen haben. Die Ausführung erinnert uns sehr an den Stil der Khmer. Im unteren Bereich ist der Stuck noch recht gut erhalten, wobei die kleinen Buddha-Reliefs über den Türstürzen fehlen bzw. der Kopf selbiger fehlt. Das fällt uns auch an der danebenliegenden Vihara, der Tempelhalle, auf. Alle Buddhastatuen wurden „enthauptet“. Kriegszüge und religiöse Umbrüche haben in der Historie immer wieder derartige Opfer gefordert. An den Resten einer Tempelwand kann man heute noch sehr gut das große Relief einer stehenden Buddhastatue erkennen.
Wat Si Chum (nördliche Zone)
Der Wat Si Chum liegt gleich um die Ecke. Dieser Schrein beherbergt den größten sitzenden Buddha (siehe Titelbild). Mit 11,30 Metern füllt er beinahe den gesamten Innenraum des Gebäudes aus. Heute besitzt es kein Dach mehr. Der Schrein wurde in den 1950er Jahren vollständig restauriert, sonst wäre heute wohl nichts mehr davon übrig. In einer Steininschrift heißt es, dass Phra Achana – der Name dieser Buddhafigur – „der eine, der sich nicht fürchtet“ bedeutet. Schon von weitem konnten wir Buddha durch einen schmalen Schlitz in der Wand des Gebäudes ausmachen. Er übte eine starke Anziehungskraft auf uns aus. Wir marschierten schnurstracks darauf zu.
Die Vihara muss man aber außen umgehen, um ins Innere zu gelangen. Schon von weitem hörten wir buddhistische Gebete, die aus dem heiligen Raum drangen. Wir traten dennoch ein. Darin befanden sich Frauen in Novizengewändern, allerdings ohne rasierte Haare, die beteten. Wir setzten uns auf den Steinboden vor den riesigen Buddha. Seine Größe war tatsächlich gewaltig. Obwohl schon Schatten im Gebäude selbst lag, waren die Steine von der Sonne noch stark aufgeheizt. Eine Novizin kam zu uns und drückte uns ein kunstvoll geflochtenes Palmblatt sowie Räucherstäbchen in die Hand. Wir beteten andächtig und genossen die monotonen Formeln, die sie wie „Gebetsmühlen“ aufsagten. Eine sehr beruhigende Atmosphäre legte sich über den Ort. Als ich aufstand und den Tempel verließ, wollte ich eine kleine Spende dalassen. Sie wurde aber abgelehnt. Wir sollten mit „Good Luck Buddhas“ erfüllt werden.
Wat Samphan Hin im Morgengrauen
Auf eine Empfehlung Kwans hin, standen wir eines morgens schon kurz vor 5 Uhr auf, um den Sonnenaufgang am Wat Saphan Hin in der westlichen Zone zu sehen. Per Fahrrad düsten wir zum circa 5 Kilometer entfernten Tempel, der im Nordwesten des Stadtzentrums lag. Am Tickethäuschen radelten wir gelassen vorbei, denn es war zu dieser frühen Stunde noch unbesetzt und wir ersparten uns daher die 100 Baht pro Person. In den frühen Morgenstunden war es mit knapp über 30 Grad noch angenehm warm, später kletterte das Thermometer unerbittlich in die Höhe. Der Tempel selbst lag auf einer Anhöhe. Auf die Kuppel, die etwa 200 Meter über die Ebene ragt, führt ein Steinweg. Der Name der Stätte bedeutet „Steinbrücke“, was wohl auf den erhobenen Steinpfad hinweist. Er erinnerte eher an eine Mauer, als an einen Pfad.
Vom alten Tempel existieren nur mehr ein paar Chedi und eine verfallene Vihara, die ehemalige Versammlungshalle. Heute stehen nur mehr zwei Reihen Laterit-Säulen und die Ziegelsteinrückwand, die von hinten durch Betonverstrebungen gestützt wird. An dieser Ziegelwand steht ein imposanter 12,5 Meter hoher Buddha. Die Anlage befindet sich etwa drei Kilometer außerhalb der ehemaligen Stadtmauer und bietet einen schönen Ausblick auf das alte Sukhothai und umliegende Ebene.
Wat Saphanhin Blick auf die Ebene von Sukhothai
Den Rückweg traten wir durch das Westtor an. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass eine belebte Altstadt nicht wirklich existiert. Sie besteht lediglich aus den Ruinen, einigen Gästehäusern und Restaurants im Osten, ansonsten findet man vereinzelt Häuser, dazwischen Ackerland, Wald und Wiesen.
Am späten Nachmittag sind wir noch einmal mit dem Fahrrad rausgefahren und besichtigten die bedeutendsten Tempel Sukhothais:
Wat Mahathat (zentrale Zone)
Die zentrale Zone umfasst die bedeutendsten Tempel des Historischen Parks von Sukhothai. Neben der Erkundung auf eigene Faust besteht hier auch die Möglichkeit, sich mit einem Elektromobil fahren zu lassen. Der Park ist stolz darauf, CO2-neutral besichtigt werden zu können.
Die größte Tempelanlage ist zweifellos die des Wat Mahathat. Man glaubt, dass dort Reliquien von Buddha aufbewahrt wurden. Noch heute sitzen einige Original-Buddhas zwischen den Säulen und in den Nischen. Die Anlage ist von einer Ziegelmauer umgeben. Die Lotosblüten-Form des Haupt-Chedis charakterisiert den Sukhothai Stil. Insgesamt stehen 198 Chedis auf dem Gelände. Dieser Tempel war zur Hochzeit Sukhothais das religiöse Zentrum.
Buddhastatuen im Wat Mahathat Die zahlreichen Säulen zeugen von der Größe der ehemaligen Versammlungshalle.
Wat Si Sawai (zentrale Zone)
Unsere Tour setzten wir beim Wat Si Sawai, einem Tempel, dessen drei Prangs im Lop Buri Stil (so wird die Stilrichtung der Khmer-Bauten in Thailand bezeichnet) fort. Die Gegend um Lop Buri in Zentralthailand gehörte in den Einflussbereich des Dvaravati-Reiches der Mon, deren Kunststil man zum so genannten Lop-Buri-Stil weiterentwickelte. Das Mon- und das Khmer-Reich gehörte viele Jahrhunderte zu den wichtigsten Staatsgebilden in Zentral-Südostasien. Mon wie Khmer nahmen durch enge Handelsbeziehungen mit Indien bald den Buddhismus als Staatsreligion an. An Wandverzierungen sind sogar Einflüsse der chinesischen Yuan Dynastie sichtbar. Es gibt auch stilistische Hinweise darauf, dass der Tempel ursprünglich dem Hindu-Gott Shiva geweiht war. Erst später wurde er durch das Hinzufügen einer Vihara im vorderen Bereich in einen buddhistischen umgewandelt.
Wat Sa Si (zentrale Zone)
Der Wat Sa Si befindet sich auf einer kleinen Insel in einem der Wasserbecken. Man betritt ihn über eine Fußgängerbrücke. Das Ensemble besteht aus einem Chedi im Sri Lanka Stil, einer Vihara (Versammlungshalle) und einer Ordinationshalle für Mönche. Die Ordinationshalle in der Mitte des Reservoirs deutet auf das buddhistische Konzept der Reinheit hin, wo die Mönche ihre heiligen Handlungen vollführen können.
Ganz typisch für den Sukhothai-Stil ist der „gehende Buddha“, eine regionale Eigenart, die wir sonst in der Region Thailand-Kambodscha-Vietnam-Laos so nirgends gesehen haben.
Monument Königs Ramkhamhaeng
Danach besichtigten wir das Monument des wichtigsten aller Sukhothai-Könige Ramkhamhaeng. Wie schon weiter oben erwähnt, war er es, der großen Einfluss auf die Kultur, u.a. durch Einführung der ersten Thai-Schrift, hatte. Unter ihm erreichte das Reich auch seine größte Ausdehnung. Vorsicht bei Regen, die Stiegen sind extrem rutschig!
Ein Tag voller Überraschungen
Der Vater unserer Gastgeberin Kwan bot uns an, uns zu zwei Tempeln mit seinem klimatisierten Pick-Up zu bringen und uns etwas herumzuführen. Kwan hatte uns erzählt, dass ihr Vater vor seiner Pensionierung im Nationalmuseum von Sukhothai gearbeitet habe, außerdem sei er Guide für hochangesehene thailändische Politiker wie z.B. den Premierminister gewesen. Er kannte sich also ausgezeichnet im Buddhismus und der Geschichte Sukhothais aus. Wir fühlten uns daher außerordentlich geehrt, dass er sich bereit erklärt hatte, uns zu führen. Leider sprach er so gut wie gar kein Englisch. Mit Kwans Vater besichtigten wir folgende Tempel:
Wat Chetuphon (südliche Zone)
Wat Chetuphon in der Südlichen Zone beeindruckt durch die Darstellung von Buddha in vier Positionen: stehend, gehend, liegend und sitzend, wobei die Statuen der beiden letzteren durch Verfall kaum noch zu erkennen sind. Außerdem hat uns die Verwendung des Steins beeindruckt. Schieferplatten wurden sowohl bei der Umzäunung als auch als Türstürze und für die Fenster eingesetzt. Der Tempel stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert, dem Ende der Sukhothai-Ära.
Schieferplatten dienen als Fensterstützen Buddha in einer der vier Positionen
Wat Chang Lom (südliche Zone)
Anschließend besuchten wir den Wat Chang Lom in der südlichen Zone. Wie auch der vorige liegt er außerhalb der Stadtmauern, die heute teils noch erhalten sind. Wie der Name schon Aufschluss gibt, spielen Elefanten (=Chang) eine Rolle; Lom bedeutet „umgeben, umrunden“. An der Basis dieses riesigen Chedis findet man wieder Elefanten, die das Gebilde schier tragen. Einige davon waren restauriert, andere nicht. So wird gut sichtbar, wie verfallen hier alles wäre, würde man nicht laufend um die Erhaltung der Bauwerke bemüht sein. In der großen Hitze setzte sich Kwans Vater gleich in den Schatten. Wir erkundeten das Gelände.
Wat Chang Lom Damian mit Kwans Vater … ruhen im Schatten
Ausblick
Sukhothai sollte vor unserem Heimflug nach Österreich unser letzter Stopp auf unserer 10-monatigen Reise, die wir am 8. August 2018 begonnen hatten, sein. Doch vom Reisen hatten wir auch nach 10 Monaten noch lange nicht genug! Sollte dich aber unsere Statistik über diese Reise interessieren, dann lies doch hier weiter: Resümee nach 10 Monaten Weltreise